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Ein kurzer Überblick zur Genetik der Honigbiene.

Honigbienen Genetik - Basics

Genetik und Vererbung bei Honigbienen

I)    Zum Einstieg
II)   Genetik der Honigbiene - ein Überblick
III)   Veränderung des Erbguts
IV)   Einfache Zuchtprogramme
V)   Quantifizierung des Zuchtfortschritts


I) Zum Einstieg

Worum es geht:

Wenn wir Bienen züchten und uns mit Vererbung beschäftigen so verfolgen wir letztlich drei Ziele.

Das erste und wohl wichtigste Ziel ist der Erhalt regional angepasster Bienenpopulationen - also den Erhalt der Biene als Wildtier.
Das zweite Ziel ist die Verbesserung der Eigenschaften domestizierter Hochleistungsbienen. Und
das dritte Ziel ist die Bereitstellung von Königinnen mit möglichst vergleichbaren Eigenschaften für Freihzeit- und Berufsimkereien aus bewährten Zuchtpopulationen.

Diese unsere drei Ziele im Hinterkopf wagen wir uns an die Vererbung. Vererbung ist ein recht komplizierter Prozess mit vielen Facetten und Details. Und dennoch lohnt es sich einen Überblick zu gewinnen.


Von der Informationsverarbeitung des Lebens - oder einfach Genetik

Die Grundlage allen Lebens ist Information oder genauer die Entwicklung von Information also Informatiosgenese. Das klingt völlig abgefahren stimmt aber denn allein da ein Lebewesen "weiß wie es lebt" kann es "leben", kann es Energie und Stoffe aus der Umwelt aufnehmen, daraus den Körper aufbauten, betreiben und so Gott will ein glückliches Leben haben.
Wenn wir genau hinsehen unterteilt sich die Information des Lebens in die Erbinformation (also den Teil der Information der "als Hardware codiert" an die nächste Generation weitergegeben wird) sowie den nicht vererbten Teil der Information (also alles was ein Lebewesen so während seines Lebens an Information einsammelt).
Entwicklung des Lebens findet demnach statt wenn sich beide Informationsteile gegenseitig beeinflussen, verändern und die Möglichkeit besteht auch neu generierte Information an die nächste Generation weiterzugeben. Und Genetik schaut sich einfach die Information des Lebens und deren Fluss an.


Die Speicherung der Information des Lebens

Leben, wie wir es kennen, benutzt zur Sicherung der Erbinformation DNA oder RNA zwei fadenförmige, chemische Informationsspeicher mit extremst hoher Speicherdichte. Aus diesen Speichern wird die Information ausgelesen, damit der Körper aufgebaut und betrieben. Schaut man sich das an ist es so ein bisschen wie Lego für fortgeschrittene. Die Körper der Lebewesen werden in weiten Teilen aus einen Satz von nur 20 Standardbausteinen (Aminosäuren) zusammengebaut die wenn nötig um einige wenige "Spezialbausteine" ergänzt werden. Die beeindruckende Schönheit und Vielfalt des Lebens beruht also im Kern auf der unvorstellbar großen Anzahl von Möglichkeiten wie man die 20 Aminosäuen "zusammenstecken" kann.
Um dieses Wirrwarr etwas übersichtlicher zu gestalten und die Kommunikation zwischen uns Menschen zu ermöglichen hat man funktionelle Einheiten der Lebensinformation gedanklich zusammengefasst und als Gene bezeichnet. So wird es z.B. möglich von einem Gen für Augenfarbe zu sprechen - was das Ganze handhabbar macht.


Wer bestimmt hier was?

Mit anderen Worten die Gene bieten ein Pool an Möglichkeiten, die Epigenetik wichtet die Möglichkeiten, die die Gene bieten und alles was ein Individuum in seinem Leben so erlebt nimmt darauf Einfluss. Oder einfacher - Die Genetik sorgt dafür das Menschen Finger haben und prinzipiell Klavier spielen können. Ihr Leben sorgt dafür ob sie jemals Klavier spielen und wenn sie intensiv Klavier spielen verändert sich sowohl ihr Geist als auch ihr Körper und das beeinflusst wieder die genetische Ausstattung ihrer Kinder. Da alles im Fluss ist,was letztlich die Entwicklung sichert, ist es schwierig von der Erscheinungsform (Phänotyp) auf die genetische Ausstattung (Genotyp) zu schließen und umgekehrt funktioniert es auch nicht besser. Das sollte uns klar sein bevor wir uns weiter mit dem Thema beschäftigen.


Von der Einzigartigkeit des Seins

Die abstrakte Art wie wir Leben betrachtet haben beinhaltet eine immense Wertschätzung. Jeder Organismus ist einzigartig und nicht ersetzbar. Wer einwenden mag das die Anzahl der Möglichkeiten Leben aufzubauen endlich und somit reproduzierbar sind, übersieht das alles was Leben lernt sowie die Rückkopplung des Gelernten auf die gespeicherte Information emerget und damit nicht wiederholbar ist. Selbst genetisch identische Lebewesen bringen, bedingt durch ihren Lebensweg, genetisch leicht unterschiedliche nachkommen hervor. Konkret: Ist eine Form der Honigbiene erst mal "verschwunden" ist ihr Wesen für immer verloren. Das sollte allen eine Mahnung sein und uns den Erhalt regionaler Bienenpopulationen an die erste Stelle unsere Bemühens stellen lassen.



II) Genetik der Honigbiene - ein Überblick


Speicher der Erbinformation :

Leben der Form wie wir es kennen speichert die Erbinformation mit einer extrem hohen Informationsdichte in langen fadenförmigen Molekülen (DNA / RNA) in der Zelle. Man spricht von haploid (Abb.1 rechts, der blaue Strich soll so ein Faden sein). Vermutlich aus Gründen der Datensicherheit legen größere Organismen eine nahezu identische Kopie dieses Informationsfadens an. Man spricht von diploid (Abb.1 Mitte, zwei blaue Striche). Werden die Organismen noch komplexer speichern sie die Erbinformation (vermutlich einfach weil es zweckmäßig ist) nicht in einem extrem langen, sondern in mehreren kürzeren Fadenstücken (den Chromosomen) jeweils inklusive einer Kopie (Abb.1 links, 16 Chromosomen der Biene inklusive ihrer Kopie). Diese Fadenstücke nemnnt man Chromosomen bzw. Chromosomenpaare.

>> Abb. 1) Zelle (Rot Zellwand, Grau Zellkern, bunt Chromosomen) mit: links einem Chromosom, mitte einem Chromosomenpaar, rechts 16 Chromosomenpaaren

Im Gegensatz zu den meisten Körperzellen haben Eizellen und Spermien nach wie vor nur eine Kopie von jedem Chromosom. Geschlechtszellen sind also haploid und welche der beiden Kopien in der Geschlechtszelle bei ihrer Entstehung landet entscheidet häufig - aber nicht immer - der Zufall. Kommen beim Sex Eizelle und Spermium zusammen entsteht wieder ein doppelter Chromosomensatz wobei die eine Kopie des Chromosoms von der Eizelle und die andere vom Spermium stammt.


Wir basteln einen Drohn:

Wie wir wissen entstehen Drohnen aus unbefruchteten Eizellen. Die Eizelle der Biene hat 16 Chromosomen und ist haploid. Da sich bei Drohnen zu der Eizellen keine Chromosomen der Spermien gesellt kopiert der Drohn einfach die Chromosomen der Eizelle und spielt so " pseudo diploid" obwohl er natürlich haploid ist. Das wars, schon ist unser Drohn fertig (siehe Abb 2).

>> Abb. 2) links unbefruchtete Eizelle (haploid), mitte Drohn , rechts Spermium des Drohns (haploid)

Die Spermien des Drohns sind dann aber wieder haploid. Da beide Kopien aller Chromosomen identisch sind (das ist eine Besonderheit !), sind auch die Spermien eines Drohns alle genetisch identisch und entsprechen einer genetischen Kopie der Eizelle aus der der Drohn entstanden ist.


Arbeiterin und Königin sind ein bischen anders und genetisch identisch

Nicht viel anders ist es mit Königinnen und Arbeiterinnen, sie entstehen nur aus befruchteten Eizellen. Eizelle und Spermium der Biene haben je 16 Chromosomen und sind beide haploid. Da sich zu der Eizellen hier die Chromosomen der Spermien gesellen ist die Königin automatisch diploid. Nur die Eier der Königin sind dann wieder haploid. Da die Kopien der Chromosomen nicht identisch sind, sind auch die Eier der Königin nicht identisch. In der Regel entscheidet der Zufall ob von dem jeweiligen Chromosomenpaar der "blaue" oder der "pinke" Chromosom in der Eizelle landet Abb. 3. Damit ergeben sich rechnerisch viele verschieden Eizellen. Mit anderen Worten: Genetisch identische Bienen gibt es praktisch nicht.

>> Abb. 3)links: Spermium + Eizelle, rechts Königin = genetisch eine befruchteten Eizelle (diploid)

Auch wenn ich es erst später besprechen möchte sein an diese Stelle schon darauf hingewiesen das es sehr wohl so etwas wie "Geschlechtliche Dominanz" also die bevorzugte Weitergabe des z.B. weiblichen Erbgutes gibt - was, wenn es auftritt, sehr interessante Konsequenzen hat.

>> Abb. 3a )Reduktionsteilung fürt zur Neukombination der Chromosomen
Crossing over und andere Besonderheiten sind hier unberücksichtigt.

In Abbildung 3a ist das Gesagte etwas genauer skizziert. Bei der Reduktion der Chromosomenpaare (aus zwei mach eins) werden die Chromosomen - nicht die Gene - neu gemischt. Auf Details kommen wir weiter unten bei der Bildung der Geschlechtszellen zurück.


Mehrfachpaarung - eine Besonderheit

Die Information des Lebens wird also in einem dünnen Faden der DNA gespeichert und die DNA liegt meist in Stücken den Chromosomen vor. Die Chromosomen gibt es wiederum häufig doppelt als Paare. Geschlechtszellen und damit Drohnen machen eine Ausnahme und haben nur eine Kopie jedes Chromosoms (sind haploid) Ihre Spermien sind genetische identisch und Kopien der unbefruchteten Eizelle aus der der Drohn entstanden ist. Arbeiterinnen und Königinnen sind diploid und genetisch gleich. Aufgrund der extrem großen Zahl an Möglichkeiten gibt es praktisch keine genetisch identischen Drohnen, Arbeiterinnen oder Königinnen. Die folgende Abbildung 4 fasst das oben und in der Mitte noch einmal zusammen.

>> Abb. 4) Oben: Drohn, Mitte: unbegattete Königin = Arbeitsbiene, Unten: begattete Königin

Beim Hochzeitsflug paart sich die Königin mit 15 bis 25 Drohnen und lagert das Sperma für einige Jahre lebend in der Spermatheka ein (Abb.4 unten). Genetisch gesehen ändert das an der Königin nichts. Es gibt ihr lediglich die Möglichkeit eine Eizelle bei Bedarf zu befruchten oder auch nicht. Welches Spermium aus der Spermatheka zur Befruchtung kommt ist dem Zufall überlassen. In unserer Skizze Abb.4 unten symbolisiert die Farbe des Bruststücks die genetische Ausstattung des Tiers und die Farbe des Hinterleibs die in der Spermatheka gelagerten Spermien die rechts noch einmal dargestellt sind.


Mehrfachpaarung hat Folgen

Eine Königin paart sich natürlicherweise mit etwa 15 - 25 Drohnen. Dadurch gibt es im Bienenvolk 15 - 25 verschiedene Vaterlinien (Patrilinien) und demzufolge auch Halb- und Vollgeschwister (sieh Abb.5). Honigbienen leben nicht als Einzelindividuum. Ihre Merkmale und damit die genetische Potenz drückt sich in der Regel erst im Zusammenspiel vieler Individuen aus. Folglich zeigen sich genetische Veränderungen häufig nicht an der Einzelbiene, sondern erst in der Interaktion der Bienen im Honigbienenvolk.

>> Abb. 5) Abb. Entstehung unterschiedlicher Vaterlinien (hier Gelb und Grün)


Sexuelle Fortpflanzung - mehr als Buchhaltung von Chromosomen

Um den spannenden Teil der Genetik zu verstehen sehen wir uns erst mal die "Mendelschen Regeln" der klassischen Vererbung an. Das ist sowas wir "genetische Buchhaltung" denn die Vererbung von Genen folgt häufig drei einfachen Regeln.

Uniformitätsregel
Werden zwei reine Linien, die sich in einem Genort unterscheiden gekreuzt, so sind die direkten Nachkommen (F1) für dieses Merkmal einheitlich, aus z.B. Körperfarbe blau und rot wird also lila.

Spaltungsregel
In der 2 Generation (F2) spalten diese Merkmale wieder auf und zwar in einem Verhältnis wie es der Erbgang vorgibt.

Rekombinationsregel (Unabhängigkeitsgesetz)
Die Erbanlagen der beiden Eltern werden bei der Bildung der Geschlechtszellen unabhängig voneinander aufgeteilt.

Auch wenn alle komplexen Vorgänge bei der Vererbung natürlich nicht allein durch die Mendelschen Regeln erklärt werden kommt man mit der "genetischen Buchhaltung" erstaunlich weit. Effekte wie den Austausch von Chromosomenstücken ("crossing over") oder die Kopplung bestimmten Genen (epistatische Wirkungen) kann man allein mit Mendel natürlich nicht verstehen.


Dominanz von Merkmalen

Das Erbgut ist in der Regel sortiert. Die Stelle im Erbgut die für bestimmte Eigenschaften codiert bezeichnet man als Genort. An einem Genort befindet sich also immer ein bestimmtes Gen z.B. für die Augenfarbe. Gibt es unterschiedliche Varianten für dieses Gen nennt man sie Allele. So kann es z.B. ein Allel für Rot, eins für Grün und noch eins für Blau geben von denen jedoch immer nur eins an einem Genort vorhanden ist. (Das wie in ihrer Küche. Die Tassen finden sie in der Regel -aber nicht immer- an ihrem Platz im Schrank und im Schrank kann es unterschiedliche Arten von Tassen geben) Befinden sich am selben Genort auf beiden Chromosomen unterschiedliche Allele gibt aber ein Problem. In der Regel wird dann ein Allel bevorzugt (dominant) und das andere ignoriert (rezessiv) - "es gibt also sowas wie eine Lieblingstasse in ihrem Küchenschrank".
Leider ist in den meisten Fällen nicht nur ein Gen allein für ein bestimmtes Merkmal verantwortlich, sondern das Merkmal entsteht durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Gene die zum allen Überfluss auch noch über mehrere Chromosomen verteilt sein können. Die Vererbung von Eigenschaften eines Individuums ist daher oft sehr komplex und scheint sich diesen Regeln zu entziehen - was aber häufig gar nicht der Fall ist.

Klarer wird das an einem einfachen Beispiel: Das Gen für "lederfarbene" Bienen (cordovan) ist z.B. rezessiv. Das heißt lederfarben wird nur ausgebildet wenn es auf beiden Chromosomen vorkommt und der Organismus keine andere Wahl hat. Was passiert wenn man rein bzw. mischerbige "cordovan Bienen" paart zeigt Abb. 6

>> Abb. 6) Fünf Beispiele der Vererbung des rezessiven Merkmals "lederfarben"

Bei reinen Cordovan-Königin und Cordovan-Spermien treten nur lederfarbenen Nachkommen auf. Alle mischerbigen Tiere zeigen keinen lederfarbenen Körper. Auf der rechten Seite sieht man auch sehr schön das ein Merkmal, obwohl genetisch vorhanden, mitunter am Tier nicht sichtbar wird.


Entstehung von Geschlechtszellen

Mitose ist der Vorgang bei der Zellteilung, an dem wir uns hier "en passant" vorbei mogeln können. Was wir brauchen ist der Informationsfluss bei der Vererbung - also Meiose. Die gute Nachricht ist Meiose funktioniert (meistens) für alle Chromosomenpaare gleich so dass wir uns nur ein Chromosomenpaar anzuschauen brauchen. Meiose ist ein sehr komplizierter Vorgang und läuft meistens wie links gezeigt ab.

>> Abb. 7) links: normale Meiose ohne Neukombination / rechts: Meiose mit Neukombination

Interessant ist, dass es in den drei Schritten bis zur Bildung der Geschlechtszellen manchmal zum Austausch von Erbinformationen zwischen den Chromosomen kommt (rechts). Hier sind in zwei der Geschlechtszellen rot und blau gemischt. Züchterisch interessant ist, dass daraus eine Neukombination der Gene auf den Chromosomen resultiert sobald die Chromosomen nicht identisch sind. Dieses "Crossingover" ist einerseits nicht sehr häufig und bleibt andererseits in der Regel unbemerkt so das man seine Bedeutung nicht überschätzen sollte. Dennoch resultiert daraus eine echte Neukombination der Chromosomen und die Honigbiene zeigt im Vergleich mit anderen Tieren eine relativ hohe Crossingover-Rate.
Läuft die Meiose für alle Chromosomenpaare parallel und identisch ab erhält man haploide Geschlechtszellen in denen die "roten und blauen" Chromosomen (mehr oder weniger zufällig) "gemischt" sind.

>> Abb. 8) Bildung einer Eizelle aus einem diploiden Chromosomensatz
Crossing over und andere Besonderheiten sind hier unberücksichtigt.


Maternale Dominanz und andere Besonderheiten

Bedenkt man das die Eizelle zusätzlich zur Information fast die gesamte "Hardware" zum "betreiben" der Zelle mitbringt und ein Spermium im Wesentlichen "nur" Information transportiert so erstaunt es nicht das die Eizelle auch regulatorische Möglichkeiten hat die über die "lineare" Vererbung hinausgehen. Das sind zum Einen Dominanzeffekte, also Effekte die darauf basieren das die Informationen des Weiblichen oder männlichen Erbguts stärker gewichtet werden und die Eigenschaften des Individuums stärker weiblich oder männlich beeinflusst sind. Diese Effekte wie die "Nicht zufälligen Segregation von Chromosomen" sind häufiger als man ursprünglich dachte. Zum Anderen wirkt sich die Benutzung der Genen der Eltern auf die Aktivität der Gene in den Folgegenerationen aus um nur zwei Beispiele zu geben.

>> Abb. 7a) Maternale Dominanz

Einen Eindruck wie effektiv Leben auf äußere Bedingen reagiert kann man schon bei den Blattläusen vor der Haustür beobachten. Im Sommer bringen viele Arten mehrere Generationen von rein weiblichen Tiere hervor und erst zum Herbst entstehen auch Männchen. Bei anderen Tieren hängt das entstehende Geschlecht von Außentemperatur oder Tageslänge ab. Es ist schlicht beeindruckend wie vielfältig die Mechanismen der Selbstregulation, mit der Leben auf die lineare Vererbung Einfluss nimmt, sind.


III) Veränderung des Erbguts


Das waren auch schon die wichtigsten Punkte beim Informationsfluss des Lebens. Auch wenn im Detail alles natürlich deutlich komplizierter ist, funktioniert es erstaunlich gut. Und dennoch ist die Erbinformation vielen Veränderungen unterworfen. Veränderungen des Erbgutes verursachen primär Schäden die in fast allen Fällen destruktiv und nur selten konstruktiv sind. Konstruktive Veränderungen erhöhen die Fitness und akkumulieren sich. Die Idee "Survival of the fittest" können sie trotzdem getrost vergessen. Es sind eher weiche "gut genug" Kriterien die am Selektieren sind und die Vielfalt des Lebens hervorbringen.



Mutationen - spontane Veränderungen des Erbguts

Das Erbgut ist erstaunlich stabil und dennoch kommt es durch Umwelteiflüsse oder einfach durch "Lesefehler" der Zelle zu Veränderungen. Sind die Fehler nicht tödlich und die Geschlechtspartner nicht zu eng verwandt verschwinden diese Fehler dank "Mendel" nach ein paar Generationen also recht schnell wieder aus dem Erbgut. Erbgutschäden sind daher eher ein Problem für einzelne Lebewesen aber nicht für den Bestand einer Art.

>> Abb. 9) Mutationen z.B. durch energiereiche Strahlung

Führt die spontane Veränderung des Erbgutes zu einem Vorteil dann hat das Lebewesen höchstwahrscheinlich mehr Nachkommen als der Rest der Population. Die Nachkommen die den Vorteil geerbt haben sind dann wieder erfolgreicher und so weiter. Am Ende setzt sich eine Mutation die einen Vorteil verspricht also durch.


Vieren - Piraten des Erbguts

Das Erbgut ist Ziel vieler Begehrlichkeiten. Schauen wir uns am besten einen Einzeller z.B. eine Bakterie an. Eine Zelle ist eine unabhängige Einheit die in ihrem Biotop alle Herausforderungen prima meistert. Wie wir alle wissen ist Leben aber durchaus aufwendig. Warum also nicht eine Zelle die alles kann einfach "kapern und umprogrammieren" und sich den ganzen Aufwand den Leben so mit sich bringt sparen? Und genau das machen z.B. Phagen. Phagen bestehen aus einer Hülle, ihrem Erbgut und haben keinen aktiven Stoffwechsel - sind also weder Tod nach lebendig.

>> Abb. 10) Kapern des Erbguts

Phagen schleusen ihr Erbgut in lebende Zellen ein und bringen den Stoffwechsel der Zell dazu nur noch Phagen zu produzieren. Sind alle Ressourcen verbraucht stirbt die Zelle und setzt die Phagen frei, die sich dann die nächste Zelle kapern und umbringen.


Abwehr von Fremd DNA - Crispr ein Beispiel

Nach z.B. einem erfolgreichen Phagenangriff ist das Phagenerbgut also Teil des Erbgutes der Zelle geworden. Und dennoch hat die Phage noch nicht gewonnen. Denn wenn sie kann kontrolliert die Zelle mit crispr ständig ihr Erbgut auf Fremderbgut. Das ist so ähnlich wie ein Vieren Scanner auf dem Computer.

>> Abb. 11) Crispr methode

Hat crispr fremdes Erbgut entdeckt wird es zerschnitten und verdaut. Wie das genau funktioniert sprengt hier den Rahmen aber es gibt einige gute YouTube Videos die crispr verständliche erklären.
https://www.youtube.com/watch?v=_NexbXXwkZY
https://www.youtube.com/watch?v=EXERMOAIyUE

Hier möchte ich zwei Gedanken festhalten. Erstens: Das Erbgut steht im Austausch mit anderen Lebewesen ist also nichts Statisches wie man erst mal denken könnte. Zweitens es gibt Schaderbgut das unser Erbgut "bedroht" und das Leben hat Möglichkeiten sich gegen Schaderbgut zu wehren.


Bienen "crisprn" - Eine gute Idee?

Da man crispr für die gezielte Veränderung des Erbgutes einsetzen kann ist die Methode momentan in aller Munde und es gab auch einen Nobelpreis dafür. Wieso, warum und was das mit Züchtung zutun hat ist ganz schön in einem YouTube Video erklärt
https://www.youtube.com/watch?v=NmhEXkvYRgQ

Kurz zusammengefasst kann crispr drei Dinge. Erstens: Erbgut zerschneiden und unschädlich machen. Das passiert bei konventioneller Züchtung auch und man braucht sich nicht Sorgen.
Zweitens: Man kann mit der Methode fremd Erbgut (aus einem anderen Organismus) in das Erbgut integrieren. Das ist problematischer da wir hier den Bereich der klassischen Zucht verlassen und die Auswirkungen nicht klar sind. Dennoch greift hier noch Mendel (Wir erinnern uns "für das Überleben unvorteilhaftes Erbgut verschwindet von allein wieder") was die Gefahr reduziert.
und Drittens kann sich crispr (wenn man es geschickt anstellt) selbst kopieren. Man nennt das "Gene Drive" (siehe Wikipedia). Dadurch wird die Mendelsche Vererbung deutlich eingeschränkt ("entzahnt" wie mein Kollege sagt) was ernsthaft kritisch ist.

Kann man Bienen "crisprn"? Ja technisch gesehen ist das kein Problem. Sollte man Bienen crisprn? Nein, bei sich reproduzierenden Organismen sollte man mit crispr sehr verantwortungsvoll umgehen. Diagnose JA , Freisetzung Nein. Und Menschen? Sollte man Menschen crisprn? Ich denke die Methode wird über kurz oder lang die Medizin revolutionieren.


"Gen of function" - Forschung

Es gilt: "Je mächtiger das Werkzeug in unseren Händen umso mehr können wir bewirken - im Guten wie im Bösen." Die Erforschung des Aufbaus der Materie ermöglichte Kernwaffen aber auch Internet, Computer und Co. Die Erforschung chemischer Prozesse eröffnete auch den Weg zu Sprengstoff und Giftgas und die "Gen of function" Forschung lässt sich ebenfalls für den Massenmord missbrauchen. Bitte bedenken sie so wir jeder Schreiner problemlos Holzwaffen herstellen kann sind gut ausgebildete Naturwissenschaftler, wie z.B. ich, problemlos in der Lage ihr Wissen zu missbrauchen. Die "Gen of function" Forschung, also das Verständniss was ein Gen so macht, ermöglicht vielen Menschen zu helfen aber auch Krankheiten (wie z.B. ein luftübertragbares Ebola Virus) im Labor zu erschaffen die die Mehrheit der Menschen sicher umbringen würden. Den Ausweg aus dem Dilemma sehe ich in einer humanistischen Gesinnung und den Verzicht auf "publish or perish" also den Verzicht auf Ausbeutung und unmenschlichen Leistungsdruck in der Wissenschaft. Wer von der Wissenschaft verantwortungsvolles Handeln zu recht erwartet sollte auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen.



IV) Einfache Zuchtprogramme


Basiszucht: Ist das Zuchtprogramm der überwiegenden Mehrheit der Imker. Man bewertet seine Völker während der Season. Parallel zieht man Jungköniginnen in kleinen Kästen auf und unterzieht diese einer Vorselektion. Nach der totalen Brutentnahmen, wenn die Völker brutfrei sind, entscheidet man sich für ein der beiden Königinnen.



>> Abb. 12) Basiszucht

Die praktische Durchführung ist dabei recht einfach. In Zeiten der Varroa-Pandemie wird man vom Frühjahr und bis zur TBE die Entwicklung der Varroa-Population in den Völkern beobachten und vorzugsweise varroafreundliche Völker nach der TBE umweiseln. Diese Art der Bienenzucht ist trotz ihrer Einfachheit sehr wirkungsvoll und wird leider oft viel zu wenig gewertschätzt.



>> Abb. 13) Praktische Basiszucht


Varroa-Toleranz-Zucht: In Kombination mit einem ausgeklügelten Zuchtprogramm, das der Basiszucht zuarbeitet, entfaltet die Basiszucht ihre volle Wirkung. Im Folgenden ist ein mögliches Zuchtprogramm unter Einsatz der Eindrohnbesamung skizziert. Solche Programme sind - im Gegensatz zur Basiszucht - sehr aufwändig und machen nur Sinn wenn man sie mit der Quantifizierung des Zuchtfortschritts kombiniert und für viele Jahre durchhält.



>> Abb. 14) Beispiel für ein komplexes Zuchtprogramm



V) Quantifizierung des Zuchtfortschritts


Erblichkeit vom Merkmalen (Heritabilität)

Die Quantifizierung des Zuchtfortschritts basiert viel auf Erfahrungen und ist (bei genauerem Hinsehen) im Gegensatz zur Genetik leicht verständlich. Schauen wir uns eineige Punkte einfach mal an. Merkmale werden durch genetische und nicht genetische Einflüsse bestimmt. Entscheidend für den Zuchtfortschritt ist in welchem Umfang Merkmale genetisch bestimmt (determiniert) und somit vererbbar sind. Das ist zwar sofort einleuchtend und dennoch klaffen Wunsch und Möglichkeiten schon hier oft weit auseinander.

Um Bienenvölker erfolgreich selektieren zu können muss es genetische Unterschiede zwischen den Völkern geben (genetische Varianz innerhalb der Population) und man muss diese Unterschiede auch erkennen können. Des weiteren muss man die genetischen Einflüsse auch von den Umwelteinflüssen trennen - Mit anderen Worten: "Die Beschaffung vernüpftiger Daten als Grudlage der Zuchtarbeit ist verdammt mühsam."

Man geht in der Praxis (der Einfachheit halber) davon aus das sich die genetische Varianz aus additiven Effekten und Dominanzeffekten zusammensetzt. Für die Zucht sind vor allem additive Effekte von Bedeutung (liebe, fleißige und gesunde Bienen - das wären drei Eigenschaften die ich gerne alle hätte - also additiv. Schießen sich z.B. lieb und fleißig aus wäre das nicht additiv .. ). Im Detail ist das alles deutlich komplizierter was jedoch für die Praxis kaum Bedeutung hat.

Den Unterschied den wir beobachten bezeichnen wir als Gesamtvarianz (V), die sich somit aus der Umweltvarianz Vu, der genetischen Varianz Vg, und der Varianz durch Dominanzeffekte Vd (man denke z.B. an den "cordovan Effekt ") zusammensetzt. Das kann man einfach aufschreiben.

V=Vu+Vg+Vd

Ob und wenn ja wie die drei Summanden zu wichten sind bleibt hier erst mal unberücksichtigt. Wie dem auch sei, aus dem genetischen Anteil Vg der Varianz und der Gesamtvarianz lässt sich ein verbreitetes Maß für die Erblichkeit (Heritabilität, Symbol h2) definieren. Ein gägniger Ansatz ist h2 als Bezugsgröße zu verstehen und entsprechend zu berechen. Hierbei muss man klar sagen, dass dieser Ansatz auf Korrelationen und nicht auf Kausalitäten beruht - was finde ich recht unbefriedigend ist. Mann macht es halt möglichst wenig falsch und nimmt das was in der Praxis funktioniert. Das klingt erst mal wirr, ist aber ein guter Ansatz bei so komplexen Zusammenhängen wie der Vererbung. Zudem ist die Datenlage meist recht unsicher so das komplexere Ansätze zwar intelektuell interessant sind aber selten zu besseren Aussagen führen. Also lassen wir es dabei und schreiben:

h2=Vg/V

Die Heritabilität wird also umso größer, je größer die genetische Varianz ist. Das heißt je größer der genetisch bedingte Unterschied umso größer die Heritabilität.

Für den Honigertrag werden zum Beispiel meist Heritabilitäts-Werte in der Größenordnung von 0,2 (20%) angegeben. Das ist eine solide Zahl die die Zucht der Honigbiene allein schon rechtfertigt. Plausibler wird das Gesagte vielleicht in folgendem Beispiel.

Nehmen wir an das Muttervolk liegt mit 6 kg Honig über dem durchschnittlichen Honigertrag der Population. Weiter nehmen wir an das das Muttervolk des Drohnenvolkes (!) mit 8 kg über dem Durchschnitt einer Population liegt. Dann ergibt sich bei einer Erblichkeit von h2=0,2 bei den Nachkommen eine Honig-Leistungen von (14kg/2)*0,2 = 1,4 kg über dem Durchschnitt. Oder anders ausgedrückt 3 Gläser mehr Honig - also gut 20 Euro mehr Umsatz pro Jahr und Volk.

Unberücksichtigt bleibt dabei, das in der Praxis der genetische Anteil der väterlichen Seite häufig weniger zum Gesamtfortschritt beiträgt als der von mütterlicher Seite (mütterliche Dominanz, evtl. erklärbar durch Eiplasma-Faktoren, die dem viel kleineren Spermium fehlen). Des weiteren sind Königinnen und Arbeiterinnen genetisch unterschiedlich und tragen vermutlich unterschiedlich zur Erblichkeit eine Merkmals bei (die Königin trägt beispielsweise durch ihre Legetätigkeit zum Honigertrag bei, die Arbeiterinnen durch ihr Sammelverhalten; also zwei total unterschiedliche Ausprägungen, die das gleiche Merkmal beeinflussen). Mit anderen Worten Vererbung bei Bienen ist spannend - Andere würden eher sagen "schrecklich kompliziert" ;-)).

Diese Beispiele zeigen bereits, dass quantitative Prognosen für Zuchtfortschritte bei Honigbienen sehr wohl möglich aber extrem aufwendig sind. Und dennoch bieten derartige Berechnungen in der Praxis in der Tat reales, dringend benötigtes Prognosepotential - auch wenn sie nicht trivial sind.

Mit anderen Worten: "Bienenzucht lohnt sich!"




>> Eine Bienenkönigin